Festschrift75


Hansruedi Gujer und Ruedi Wyss

Wyss Ruedi
Gujer Hansruedi

Über 60 Jahre der Blasmusik treu

Hansruedi Gujer und Ruedi Wyss, Spitzenreiter an Vereinsjahren und beim Probenbesuch

Von Karl Kümin

Ihr seid beide bereits über 60 Jahre Aktivmitglieder der Stadtmusik und gehört zu den Mitgliedern, die ganz selten an einem Anlass fehlen. Euer Instrument ist das Euphonium. Wo habt ihr es spielen gelernt? War es euer Wunschinstrument?

Hansruedi: Zusammen mit etwa 20 Anfängern lernte ich bei Eugen Häfliger das Einmaleins der Notenlehre. Weil mein Vater schon Tenorhorn spielte, wählte ich das dem Tenorhorn ähnliche Bariton. Zusammen mit meinem Bruder und einem weiteren Schüler nahmen wir Stunden bei Oskar Mäder in Ottikon. Im Winter war es mit dem Velo zu mühsam von Oberillnau nach Ottikon hinauf zu fahren, deshalb fuhr uns mein Bruder mit dem Traktor nach Ottikon.

Ruedi: Mein Wunschinstrument war die Trompete. Man hat mir damals gesagt, dass ich für das Tenorhorn geeignet sei. Widerrede war sinnlos. Das wäre von einem Jungen auch nicht akzeptiert worden. Theoriestunden nahm ich bei Ueli Lüthi im Hagenschulhaus. Unterricht auf dem Instrument gab Uelis Bruder Fritz. Zum «Lüthi-Quartett» gehörten noch Ruedi und Walter. Pro Monat musste ich für den Unterricht vier  Franken bezahlen. Der Musikunterricht fand immer beim jeweiligen Lehrer zu Hause statt. Mein Lehrer hockte jeweils auf dem Kachelofen und las die Zeitung, während ich übte. Die Lehrer waren gute Bläser und als Ausbilder ausserordentlich streng. Sie waren ausschliesslich Mitglieder vom Musikverein. 1953 trat ich dem damaligen Musikverein bei. In diesem Jahr weihte der Musikverein seine 1. Fahne ein. Die Festhütte stand im Zentrum von Effretikon, ungefähr beim heutigen Hinterbüel. Zum Überqueren der Bahngleise gab es damals noch keine Brücke. Geprobt wurde im Saal vom damaligen Restaurant Löwen. Dieses befand sich an der Stelle des heutigen Restaurant Bistro an der Bahnhofstrasse. Vor der Musikprobe galt es immer eine grosse Lastwagenplane zum Schutz des Bodens auszurollen und die Notenständer aufzustellen.

Mein Lehrer hockte jeweils auf dem Kachelofen und las die Zeitung, während ich übte.

Wie wurdet ihr damals im Musikverein aufgenommen?

Hansruedi: Im Musikverein wurden wir 1956 sehr herzlich aufgenommen. Am meisten hat mich beeindruckt, dass uns alle, vom Handwerker bis zum Jugend-Staatsanwalt, sofort das Du angeboten haben. Ich war kaum 15 Jahre alt und ging noch zur Schule.

Ruedi: Meine Miteintretenden, Werner Baumberger, Peter Rohrer, Armin Ritter und Köbi Wiget, mussten alle zuerst in die hintere Reihe sitzen und eine Begleitstimme spielen. Ich durfte in der vorderen Reihe bei den Melodiespielenden Platz nehmen.

Habt ihr etwas Spezielles in Erinnerung aus eurer Anfangszeit?

Ruedi: Damals gab es bereits Unterhaltungsabende mit Tombola. Die Mitglieder mussten jeweils die Preise zusammenbetteln. Zu den Attraktionen des Gabentempels gehörte immer ein lebendiger Güggel in einem Metallkorb.

Zu den Attraktionen des Gabentempels gehörte immer ein lebendiger Güggel in einem Metallkorb

1968 wurden neue Instrumente eingeweiht. Ich war wütend und enttäuscht, weil ich mein geliebtes, fast neues gelbes, ovales Horn durch ein silbriges, gerades tauschen musste. Damals besassen nur wenige Mitglieder ein eigenes Instrument. Der grosse Teil der Instrumente wurde vom Verein zur Verfügung gestellt.

1954 fand eine Musikreise nach Strassburg statt. Ich war enorm stolz, dabei sein zu dürfen und bei der Marschmusik mitzumarschieren. In dieser Zeit wurde Eugen Häfliger Präsident. Von da an erhielt der Verein erstmals eine richtige Struktur. Eugen Häfliger war auch bekannt für lange Sitzungen, die manchmal weit über Mitternacht hinausgingen.

Ich habe gehört, dass der Dirigent früher vor dem Konzert sogar die Frisur kontrollierte. Gab es weitere Vorschriften, die eingehalten werden mussten?

Hansruedi: Nein, so stimmt das nicht ganz. Einzig bei der Marschmusik galten Vorschriften wie beim Militär. Die Schuhbändel durften zum Beispiel nicht sichtbar sein. Auf guten Probenbesuch wurde auch damals schon grossen Wert gelegt. Wer unentschuldigt der Probe fernblieb, musste an der nächsten Probe beim Dirigenten antraben. Dieser stellte sich so nahe an den Fehlbaren, dass sich die Bäuche berührten. Mit strengem Blick in die Augen kam die obligate Frage: «Du hast mir sicher noch etwas zu sagen?»

Habt ihr noch andere Hobbys?

Hansruedi: Früher ging ich noch regelmässig in die Berge. Ich organisierte auch viele Jahre die zweitägigen Bergtouren der Stadtmusik. Skifahren gehörte auch zu meinen Leidenschaften. 1970 hatte ich ein Computer-Programm für die Aktiv- und Passivmitgliederverwaltung auf einem Dinosaurier-Computer von Sperry Rand geschrieben. Ich war von 1978 bis 1997 im Vorstand. Heute nehmen die Aufgaben als Grossvater viel Platz ein.

Ruedi: Nein, neben dem intensiven Musizieren blieb für andere Hobbys kein Platz. Ich engagierte mich früher auch stark für die Jugendmusik, wo ich mitspielte und im Vorstand war. Seit 2003 spiele ich auch noch bei den «Steibrugg-Musikanten» mit.

Habt ihr noch andere Reminiszenzen in Erinnerung?

Hansruedi: Ueli Lüthi spielte damals das 1. Tenorhorn. Auf dem vom Musikhaus Pini gelieferten Instrument hatte Ueli Mühe, das obere As zu treffen. Pini kam deshalb mit einem neuen Instrument an die Probe. Er machte Ueli das Angebot, dass er das Instrument behalten dürfe, wenn er mit dem oberen As keine Mühe habe. Ueli hatte keine Mühe.  Pini hielt Wort und ich bekam das «alte» von Ueli. Ich hatte von Anfang an keine Mühe mit dem oberen As.

Früher wurden die Generalversammlungen richtiggehend zelebriert und genossen. Die einzelnen Traktanden wurden ausgiebig diskutiert. Es störte niemanden, wenn deshalb die Versammlung bis nach Mitternacht andauerte. Heute werden die Verhandlungen anders gewichtet. Ziel ist, möglichst innert zwei Stunden die Versammlung beenden zu können.

Wir hatten früher schon ein attraktives Sommerrepertoire. An Musikfesten wurden wir im Festhüttenprogramm immer am Schluss eingesetzt, weil die Zuhörer unseren Vortrag nicht verpassen wollten.

Ein Konzert in der Kirche bleibt mir noch in spezieller Erinnerung. Berufstrompeter Fridolin Frei war im Programm mit Solis angekündigt. Die Kirche war übervoll. Für unseren Stargast blieb kein Stuhl mehr übrig, so dass er auf einem Getränkeharass sitzend auf seine Auftritte warten musste.

Es war üblich, dass man das Geburtstagsständchen bei den Jubilaren zu Hause spielte. An einem kalten Wintertabend spielten wir vor dem Kleidergeschäft Corrodi. Weil die Ventile einfroren mussten wir diese zwischendurch im Laden wieder auftauen.


Karl Baschnagel

Baschnagel Karl

 «Mädchen für alles» und Produzent unserer Tonträger

Karl Baschnagel, Ex-Aktivmitglied und Mitgründer der Jugendmusik:

Von Karl Kümin

Du warst viele Jahre Aktivmitglied in der Stadtmusik. Du spielst heute in verschiedenen Formationen Saxophon, Flöte und Klarinette. Deine beiden Söhne Daniel und Pius sind bekannte Berufsmusiker. Du hast dich stark bei der Gründung der Stadtjugendmusik engagiert. An den Konzerten der Stadt- und der Stadtjugendmusik bist du ein gern gesehener Zuhörer. Dank den von dir perfekt erstellten Tonträgern haben unsere beiden Vereine lückenlose Tondokumente von ihren Konzerten. Was fällt dir auf, wenn du die Stadtmusik heute mit deiner Aktivzeit vergleichst?
Das Korps ist wesentlich jünger und die Besetzung ist ausgeglichener und vollständiger. Der Umgang mit komplexer Literatur und Unterhaltungsmusik ist heute viel entspannter.

Du verfolgst die Entwicklung der Stadtmusik seit Jahrzehnten. Wie präsentiert sie sich heute in deinen Augen?
Die Stadtmusik ist sehr gut aufgestellt. Bei Konzerten gefällt mir der ausgeglichene Klang, die wohlklingende Tonkultur und die stets hervorragende Interpretation durch die Dirigentin. Positiv fällt auch die gute Kameradschaft auf.

Positiv fällt auch die gute Kameradschaft auf.

Ist dir von deiner Aktivzeit bei der Stadtmusik ein besonderes Ereignis in Erinnerung geblieben?
Schmerzlich ist die Erinnerung an den Tod des Dirigenten Andreas Ebner. In besonderer Erinnerung bleibt auch die tolle Zusammenarbeit mit den damaligen Vorstandsmitgliedern bei den umfangreichen Vorarbeiten zur Gründung der Stadtjugendmusik. Unsere beiden Söhne Daniel und Pius konnten wertvolle Erfahrungen sammeln.

Möchtest du noch etwas ergänzen?
Durch die gute Zusammenarbeit der Stadtmusik mit der Stadtjugendmusik ist guter Nachwuchs weitgehend gesichert. Ich wünsche beiden Vereinen, dass dies langfristig so bleibt und somit auch der Erfolg gesichert ist.


Erika Maissen

Maissen Erika

Männerblicken und -gesprächen ausgesetzt

Erika Maissen, Pionierin als eine der ersten Frauen im Orchester

Von Karl Kümin

Erika Budliger, verheiratete Maissen, lernte in der Schule Blockflöte spielen. Später besuchte sie einen Jungbläserkurs beim Musikverein Kemptthal und lernte das Klarinettespielen. Leider verstarb Ihr Klarinettenlehrer während ihrer Ausbildung. Weil Erika zu kurze Finger für verschiedene Griffe an der Klarinette hatte, erwies sich dieses Instrument für sie als nicht optimal. In Absprache mit dem Musikverein entschloss sie sich, an der Musikschule Winterthur Flötenunterricht zu nehmen. Ihr Vater, ein Innerschweizer, hätte allerdings lieber gesehen, wenn sie Unterricht zum «Örgelispielen» genommen hätte. Nach einem Jahr Unterricht musste sie bereits im Musikverein mitspielen und fühlte sich überfordert. Erika nahm deshalb auf eigene Kosten weiter Privatunterricht. Ihre Musiklehrerin hatte überhaupt kein Verständnis, dass sie in einem Blasmusikverein mitspielte. Trotzdem blieb sie bis 1968 im Musikverein. Mittlerweilen hatte sie Bruno Maissen geheiratet. Wie damals üblich, hatte sie infolge Schwangerschaft auch ihre Stelle auf der Bank gekündigt.

Ihr Coiffeur, Hans Dietz, spielte im Musikverein Illnau-Effretikon Euphonium. Er überredete sie in den Musikverein Illnau-Effretikon einzutreten. Erika hatte anfänglich Zweifel, ob sie den Ansprüchen genügen würde, denn der Musikverein Illnau-Effretikon hatte schon damals einen sehr guten Ruf. Als Erika 1974 dem Drängen von Hans Dietz nachgab und dem Musikverein beitrat, spielten neben ihr nur zwei Frauen mit. Maja Benz, die Tochter des Dirigenten, spielte ebenfalls Flöte und Renate Thommen spielte Trompete. Vor Maja Benz hatte Erika grossen Respekt, galt sie doch weitherum als sehr gute Flötistin. Ihr Vater, Jakob Benz, war ein strenger Dirigent. Damals gab es noch wenig Frauen in den Musikvereinen. Diese waren denn auch immer wieder den Blicken und Sprüchen von männlichen Kollegen «ausgesetzt».

Die schwer zu spielende und schwer zu verstehende Literatur hat mir zunehmend den Spass am Musizieren vermiest. Ich stelle 
mit Genugtuung fest, dass die heute gespielte Literatur wieder Freude macht.

Als besonderes Highlight empfand Erika die Zeit mit dem leider viel zu früh verstorbenen Dirigenten Andreas Ebner. Als ausgebildeter Flötist konnte er den Flötenspielerinnen immer wieder gute Ratschläge geben, damit auch die schwierigen Passagen zu meistern waren. So positiv sie die Zeit mit Andreas Ebner in Erinnerung hat, so negativ sind die Erinnerungen an einen nachfolgenden Dirigenten, der viel weniger Verständnis für Schwierigkeiten bei anspruchsvollen Aufgaben zeigte.

Die schwer zu spielende und schwer zu verstehende Literatur hat ihr zunehmend die Freude an der Blasmusik vermiest. Erika hörte von Konzertgästen immer wieder die gleiche Kritik: sicher schwer zu spielen, aber an den Zuhörern vorbei gespielt. Erika war von 1984–1990 als Aktuarin im Vorstand des Vereins. Nach dem Konzert in der Kirche von 2004 trat sie aus. Neben dem genannten Grund haben ihr aber auch grosselterliche Pflichten den Entscheid erleichtert, die Querflöte und das Piccolo an den berühmten Nagel zu hängen.

Werke wie L’Arlésienne.von Bizet, Boléro von Ravel oder Dvorak’s neue Welt, waren absolute Höhepunkte während meiner Zeit 
bei der Stadtmusik.

Gerne besucht Erika mit ihrem Ehemann Bruno immer wieder Konzerte der Stadtmusik. Sie stellt mit Genugtuung fest, dass die heute gespielte Literatur viel besser zu verstehen ist, den Zuhörern Freude macht und auch den Mitspielenden Spass bereitet.

Erika hat vor kurzem wieder angefangen in einem kleinen Ensemble Querflöte zu spielen.

Sie ist der Stadtmusik dankbar dafür, dass sie ihr den Zugang zur klassischen Musik geöffnet hatte. «In meinen jungen Jahren habe ich nur Pop, Rock und Jazzmusik gehört. Werke wie L’Arlésienne von Bizet, Boléro von Ravel oder Antonin Dvorak’s Neue Welt, waren absolute Highlights in meiner Zeit bei der Stadtmusik», meint sie abschliessend.


Bruno Willi

Willi Bruno

Erlebtes und Gehörtes

Bruno Willi kramt in seinen Erinnerungen

Die «Alte Illnauer Musik»

So ungefähr zwischen 1925 und 1930 existierte in Illnau ein kleiner Musikverein, dem man – der Überlieferung nach –«die alte Illnauer Musik» sagte. Da nur noch mündliche Überlieferungen vorhanden sind, beginnt diese Geschichte langsam zu verblassen. Was noch in Erinnerung geblieben ist, das sind die Namen einiger Mitglieder. Dabei waren Hans Gujer, Gottfried Schrag und dessen Bruder, weiter Otto Spörri, Gottfried Benz, Friedli Klingel und viele mehr. Um 1930 fand in Illnau ein Verbandsturnfest mit einem Umzug statt. Organisatoren waren unter anderen Otto Jucker sen. und Ernst Brüngger (Da es in Illnau unzählige Brüngger gab, nannte man sie nach ihrem Geburtsjahr, hier handelte es sich um «Brüngger 04»). Für den Umzug musste natürlich eine Musik her. Die «Alte Illnauer Musik» war dafür zu klein und hatte zudem keine Uniform. In den hitzigen Debatten um diesen Anlass geriet man sich in die Haare und als Folge davon löste sich der Verein auf. Die meisten der Musiker waren nachher in der Fehraltorfer Musik anzutreffen, bei der ohnehin schon diverse Illnauer mitspielten. Das war also das Ende der «Alten Illnauer Musik».

Die Knabenmusik Jllnau-Effretikon

1929 wurde die Knabenmusik Illnau Effretikon gegründet. Sie bestand bis ins Jahr 1944, als eine Namensänderung zu «Musikverein Illnau-Effretikon» stattfand.

Dies und das

Probelokale

Lange Jahre fanden die Proben in Effretikon statt. Anfänglich probte man im Hotel Löwen in Effretikon. Weil man den Löwen 1965 abriss, wurden die Proben ins Restaurant Sonne zur «Sonnen-Marie» verlegt. In einem Säli zu proben, hatte den Vorteil, dass man sich in der Pause oder nach der Probe noch schnell einen Becher genehmigen konnte.

Später durften wir viele Jahre lang im Singsaal des Schulhauses Watt in Effretikon proben. Nach dem Umbau des Restaurant Rössli in Illnau (1980) durften wir 1982 das neue Probelokal im ehemaligen alten Rösslisaal beziehen. Diesen Raum im ersten Stock durften wir Musikanten mit grossem Engagement und vielen Frondienststunden gestalten und ausbauen. Dieses für unsern Verein äusserst geeignete Lokal wird bis heute intensiv und vielseitig genutzt,  finden doch hier die Gesamt-Proben, die Registerproben sowie die Instrumentalausbildungen sowohl für die Stadt-Jugendmusik als auch für die Stadtmusik statt.

Der erste Höhepunkt

Im Frühjahr 1948 übernahm Jakob Benz die musikalische Leitung des Vereins, und von da an ging es stetig aufwärts. Im Sommer konnten die neuen grauen Uniformen eingeweiht werden und im Jahre 1953 die erste Vereinsfahne. 1957 besuchten wir das 1. Eidgenössische Musikfest in Zürich und erhielten dabei bereits unseren ersten Gold-Lorbeer-Kranz mit Auszeichnung in der 3. Stärkeklasse. Dieser Anlass war ein erster absoluter Höhepunkt und einziges grosses, unvergessliches Fest: Unzählige Vortragslokale, in denen man sich die anderen Vereine anhören konnte, musizierende Vereine, wohin man hörte, unzählige Festhütten, in denen für das leibliche Wohl gesorgt wurde, eine Riesen-Festmeile, sogar sämtliche Trams und Busse waren für die Musikanten gratis. Speziell «unter die Haut» ging der Schlussakt auf der Allmend, mit Hunderten von Vereinen und Tausenden von Musikanten, welche die gleiche Leidenschaft freundschaftlich verband: die Musik. Bei der Rangverkündigung flogen überall die Hüte in die Luft, natürlich auch bei uns, als unser Resultat verlesen wurde. Manch ein Hut flog so weit, dass man ihn erst wieder kurz vor dem Abmarsch zurück erhielt. Der bewegendste Moment war der abschliessende Gesamtchor. Zuhause wurde der grosse Erfolg verständlicherweise noch kräftig «nachgefeiert».

Jetzt war unser Musikverein da angekommen, wo man hin wollte – mit zusätzlichem Potential gegen oben.

Die offizielle Festfoto des Musikvereins Illnau-Effretikon am ersten Höhepunkt, dem Eidgenössischen 1957 in Zürich.

Disziplin muss sein

Dank der straffen Führung seitens des Vorstandes und unseres Dirigenten Jakob Benz ging die Entwicklung des Vereins rasant voran. Benz prägte den Verein nicht nur musikalisch, sondern auch durch seine grosse Persönlichkeit. Nicht zu Unrecht wurde er mit einem Fuhrmann verglichen, denn er hatte die Zügel fest in den Händen. Das kam manchmal auch in seinen Sprüchen zum Ausdruck. Wenn wieder einmal eine Stelle bei den Posaunen nicht richtig tönen wollte, so hiess es schon einmal: «Das wärded ihr junge Hengschte doch no herebringe.» Proben zu schwänzen war ein absolutes Tabu. So konnte er einen Musikanten, der unentschuldigt zweimal Proben fernblieb, bei der nächsten Probe mit den Worten begrüssen: «So, Herr Huber, chömed Si cho s’Instrumänt abgää.» An den Hauptproben vor einem Konzert duldete unser Chef keine Absenzen. Er unterstrich das mit den Worten: «Wer nicht an der Hauptprobe dabei ist, spielt auch am Konzert nicht mit.» Seine Proben wurden stets diszipliniert geführt. Haperte es an einer Stelle bei einem Musiker, so konnte er ruhig einmal zu dem Betreffenden nach hinten gehen und mit ihm individuell üben, indem er ihm mit dem Taktstock den Rhythmus auf dessen Notenständer mitklopfte. Das half natürlich nicht bei jedem. Walter Baracci, ein Es-Hornist, erwiderte ihm einmal: «Los, da chasch du no lang chlopfe, das bring ich nümme ane uf minere Ocerine». «Ja, dänn schtriiched mer das halt use bi dir», war die Antwort von Jakob Benz – und die Probe ging weiter. Neben dem Musikalischen engagierte sich unser Dirigent auch sonst ausgesprochen stark für «seinen» Verein. So beispielsweise, wenn es um das Aufstellen oder Abbrechen einer Festhütte ging. Da stand er jeweils mit den andern Vereinsmitgliedern in seinem Überkleid auf der Baustelle und legte fleissig mit Hand an. Das verlangte er aber auch von uns Anderen und so mancher opferte seine ganzen Ferien für so ein Fest. In Sachen Disziplin war Jakob Benz ein echtes Vorbild. Doch auch Gemütlichkeit und Kameradschaft wurden von ihm gross geschrieben. So kann ich mich noch an die diversen Feste erinnern, die wir zusammen mit dem Musikverein Bassersdorf, den er ebenfalls dirigierte, auf seinem Bauernhof feierten. Benz war nämlich nicht nur Berufsmusiker, sondern er bewirtschaftete auch einen Bauernhof. Das wurden jeweils tolle Feste mit Essen, Trinken, Musik und Jassen. Manchmal ging das bis in die Morgenstunden hinein, wonach man ihm schon einmal – mit einem müden Kopf – beim «Grasen» mithalf. Was der Benz sagte, das galt – und wir Musiker standen hundertprozentig hinter ihm. Das zeigte sich auch seinerzeit am Eidgenössischen Musikfest Luzern im Jahre 1971. Wir standen bereit zur Marschmusik-Konkurrenz und erhielten gerade das OK zum Abmarsch. Obwohl pechschwarze Wolken über uns hingen, beschloss er: «Wir marschieren!». Also hiess es: «Musikverein Illnau-Effretikon – vorwärts Marsch!» Doch nach dem Anschritt und ein paar wenigen Takten prasselte ein kräftiger Platzregen auf uns nieder. Ohne eine Miene zu verziehen, schritt der Benz in seinem Frack mit Krawatte und Melone vor seinen Mannen her, dabei kräftig den Taktstock schwingend. Und der ganze Verein, ebenso wenig beeindruckt, folgte hinterher. Völlig durchnässt kamen wir am Ende der Marschmusikstrecke an – und erhielten dafür noch eine vorzügliche Note. Es brauchte manches Bier in der Festhütte, bis der schwere Uniformstoff wieder zu trocknen begann. Jakob Benz und unser Präsident Eugen Häfliger waren zusammen ein langjähriges, gutes Führungsgespann, dem der Verein vieles zu verdanken hat.

Unterhaltungsabende

Früher, als noch das alte «Dampfradio» in Mode war und noch in keiner Stube ein Fernsehapparat stand, da war die grosse Zeit der Abendunterhaltungen. Diese «Chränzli» wurden von den Vereinen gewöhnlich in den Wintermonaten abgehalten. Mit solchen Anlässen konnte man nicht nur die Vielseitigkeit eines Vereines unter Beweis stellen, sondern auch das eine oder andere Neumitglied gewinnen.

Der alte Rösslisaal, der für rund 140 Leute Platz bot, war dafür sehr gefragt. Beheizt wurde er mit einem alten Gussofen, welcher mit Holz «gefüttert» wurde und – je nach Tiefe der Aussentemperatur – jeweils fast zum Glühen kam. Vorne war die Bühne, auf der unser Verein jeweils nur knapp Platz hatte. Links der Bühne, durch eine Türe von vorne zugänglich, war der Vorbereitungs- und Schminkraum. Auf der Bühne hinten oben waren die Kulissenstangen, rechts der Bühne der Stauraum für die Kulissen. Vorne war der Vorhang und die Souffleuröffnung rechts vorne eine kleine Vorbühne für die Tanzmusik.

Der Ablauf eines solchen Unterhaltungsabends war lange Jahre lang stets der gleiche: Auftritt und Konzert des Vereins mit gewöhnlich leichter Musik auf der knapp bemessenen Bühne, ein unterhaltsamer Auftritt der Bauernkapelle unter der Leitung von Walter Lüthi, wobei jeweils vor jedem Stück zum entsprechenden Kostüm gewechselt wurde, unterbrochen von einigen lockeren humoristischen Einlagen. Dann folgte das Theater mit einem Ein- bis Drei-Akter. Häufig war dies ein Lustspiel, aber es durfte auch schon mal etwas Ernsteres sein. Eine Theatergruppe besass fast jeder Dorfverein. Dementsprechend legte man sich auch gewaltig ins Zeug, um den anderen Vereinen in nichts nachzustehen. Wenn man kein geeignetes Mundartstück fand, so wurde halt eine eigene Mundart-Übersetzung «gebastelt». Zum Schluss des Unterhaltungsabends spielte eine Tanzmusik, die auf der kleinen Vorbühne knapp Platz hatte. Bei uns war das meistens das Orchester Eliana, bei dem chronisch ein paar Leute unseres Vereins mitspielten – und das den grossen Tanzorchestern wie den Jacomuzzis in nichts nachstand. Je nach Ernsthaftigkeit des Theaterstücks dauerte es ein bisschen länger, bis die Besucher wieder so richtig in Fahrt kamen. Mit einer möglichst grosszügigen Tombola konnte man sich als Verein profilieren und zudem noch einen Batzen in die Vereinskasse generieren.

Nachdem für die Vereine, also auch für uns, kein Saal mehr zur Verfügung stand, musste jeder Verein seinen Weg selber finden, um in der Gunst des Publikums zu bleiben, denn nicht zuletzt konnte man mit solchen Anlässen auch neue Mitglieder gewinnen. Viele Leute im Dorf vermissten die Unterhaltungsabende ihrer Verein und die guten Theateraufführungen, denn so manch einer konnte auf diese Weise noch eine andere Seite von sich zeigen.

Die Bauernmusik spielt zum Tanz auf mit «Where ist the tiger?» Im dunklen Hemd Charly Stoob.
v.l. Arthur Heinimann, Eugen Häfliger, Werner Kuhn
Präsident Eugen Häfliger bei der Begrüssung, Dirigent Jakob Benz (sitzend)
Das Programm der Abendunterhaltung vom Januar 1955

Kirchenkonzerte

In der Zeit nach 1960, als man keinen Saal mehr für die Unterhaltungen zur Verfügung hatte, suchte man nach einer andern Möglichkeit, den Verein präsentieren zu können. Zuerst versuchte man es in der Turnhalle in Illnau, doch dieser Rahmen überzeugte nicht, sodass nach einer anderen Lösung gesucht wurde. So entstand die Idee mit den Kirchenkonzerten. Zu Beginn wurde in der Illnauer und in der Effretiker Kirche je ein Konzert geboten. Als der Verein grösser wurde, verblieben nur noch die Kirche in Effretikon mit einem genügend grossen Platzangebot: Die bis heute bestehende Tradition der jährlichen zwei Kirchenkonzerte, die sowohl den vielen Musikfreunden als auch den Musikanten jedes Jahr viel Freude und Genugtuung garantiert, war geboren. Von Anfang an war man bemüht, den Musikliebhabern stets ein Konzert auf hohem Niveau zu bieten. Eine bleibende Erinnerung ist, als wir das erste Mal das Stück Titanic von Stephan Jaeggi spielten. Die Leute waren derart beeindruckt, dass es nach dem Verklingen des letzten Tons lange Zeit dauerte bis der erste Applaus einsetzte.

Viele Konzerte wurden auch mit hervorragenden Solisten bereichert, zum Teil aus den eigenen Reihen (Walter Lüthi, Klarinette und Maya Benz, Flöte) oder mit dem Verein nahestehenden Solisten wie Barbara Genner (Klavier, der Frau von Pfarrer Genner). Einmal half uns auch eine Harfenspielerin aus, oder der Pianist Stefan Cammenzind aus Dübendorf oder der Solotrompeter des Tonhall-Orchesters Zürich, Fridolin Frei. Man wagte sich nun an Orchesterwerke von Rossini wie die diebische Elster, die Macht des Schicksals oder den Wilhelm Tell.

Es ist eine wahre Freude zu beobachten, wie das hohe Niveau der Konzerte bis heute laufend gesteigert wurde. Vieles hat sich rein organisatorisch dadurch verändert, dass man die beiden Konzerte (jeweils am Samstag und am Sonntag) in der Kirche Effretikon abhält. In Erinnerung geblieben ist immer noch die grosse Mühe, die man hatte, den Flügel von Frau Genner in den Chor der Kirche Illnau zu schleppen und nach dem Konzert wieder hinaus, besonders, wenn man die bauliche Situation kennt. Die Konzerte sind zwar immer noch mit einigem Aufwand verbunden, aber doch um einiges «ringer» als früher.

Aufnahmen Platten und CDs

Um die diversen Aufführungen auch m Nachhinein noch geniessen zu können, hat der Verein beschlossen fünf LPs und später, mit der Weiterentwicklung der Technik, diverse CDs aufzunehmen. Eine Schallplatte aufzunehmen war damals noch eine sehr aufwendige, zeitraubende und kostspielige Angelegenheit. Später, mit der laufenden Entwicklung der Digitaltechnik, wurde die Sache ein bisschen einfacher. Seit Langem kann sich der Verein auf die Aufnahmetechnik und grosse Erfahrung von Karl Baschnagel, einem früheren Mitglied der Stadtmusik, verlassen.

 

Musikalische Aktivitäten von früher

Wenn man meint, wir hätten früher weniger Anlässe und Vereinsaktivitäten gehabt,  so täuscht man sich gewaltig. Meistens waren es jährlich 100-120 Anlässe. Dies waren Proben, Konzerte, gewöhnliche Ständli, Geburtstags-Ständli, Platzkonzerte, Feste, Muttertags-Konzerte mit Marschmusik, Festbegleitung zum 1. August, Abholen von anderen Dorfvereinen, Gemeindeanlässe etc. Der Musikverein gehörte einfach bei jedem Fest dazu. Details gefällig?

– Ständli über die Höfe: Vill sind mit em Velo da …

Jeder Ortsteil hatte jährlich ein Ständchen zu gut. Nicht nur Illnau und Effretikon, sondern auch Bisikon, Horben, Agasul, First, Ottikon, Billikon, Ettenhausen usw. Man liess keine Aussenwacht aus. Manchmal warteten die Leute geradezu auf diesen Anlass. Da und dort wurde etwas zu trinken offeriert, in die gute Stube oder in die riesige Bauernküche zu Most und einem kleinen Imbiss eingeladen. Diese Anlässe waren zeitintensiv, denn man war noch nicht so mobil wie heute. Die meisten von uns waren jeweils mit dem Velo unterwegs, das Instrument auf dem Rücken oder auf dem Gepäckträger. Eine wenige hatten ein Auto, so der Benz, der Häfliger und später auch der Werner Baumberger. Ein paar Glückliche hatten ein Moped oder kamen wie der Leo Zehnder mit dem Motorrad, mit Willi Fuchs im Seitenwagen, angebraust. Wenn der letzte Musikus da war, konnte man beginnen. Nach dem Trunk und dem Zusammenpacken ging es dann weiter zum nächsten Ständli.

– Muttertagskonzerte: Nicht immer zur Freude der Mütter

Die Muttertagsständli wurden noch in Form von Marschmusik abgehalten. Am Samstag in Illnau und am Sonntag in Effretikon und das nächste Jahr umgekehrt. Wer nicht fit war, der konnte da nicht mittun. Man marschierte gewöhnlich mit Spiel beim Löwen in Ober-Illnau ab, hinunter zum Bahnhof und dann weiter durchs Dorf bis zur Drogerie Häfliger. Da gab es einen kleinen Halt und eine Erfrischung. Schon ging es weiter, das Kempttal hinunter bis zur Sägerei Moos – und immer wurde fleissig weiter gespielt, bis wir wieder beim Löwen ankamen.

Am Sonntag in Effretikon gab es ebenso einen Monstermarsch mit einem Erfrischungs-Halt bei Heinrich Schuhmacher. Start und Ende war jeweils beim Hotel Löwen neben dem Bahnhof.

Was nicht unerwähnt bleiben darf: Für uns Junge ging es gewöhnlich am Samstagabend nach der Marschmusik ab in den Ausgang, etwa nach Herisau auf den Tanz ins Kaffee Sonderegger. Am Muttertagsmorgen, knapp vor dem Abmarsch in Effretikon, erschienen wir wieder alle – natürlich direkt vom Ausgang. Die Uniform brauchten wir nicht erst anzuziehen, denn die hatten wir vom Vortag her immer noch an. Es ist bekannt, dass nicht alle Mütter begeistert waren über diese Art, den Muttertag zu zelebrieren, da wir den Rest des Tages – logischerweise – verschliefen …

– Geburtstagsständli: Allzeit bereit – auch bei Minustemperaturen

Was heute die Geburtstagskonzerte im Alterszentrum sind, für die man mehrere der mindestens 90-Jährigen zusammen nimmt, wurde früher mit einzelnen Ständchen vor Ort erledigt. Fand der Anlass im Sommer und bei gutem Wetter statt, so war alles gut. Im Winter hingegen – und bei ein paar Grad minus – brauchte es mehr Überwindung. An einem Ständli in First war es einmal so schlimm, dass die Bässe und die grösseren Hörner ihre  Instrumente in der warmen Stube des Jubilaren auftauen mussten, um weiterspielen zu können. Einmal, es war in Rikon, übertrug Benz die Bassnoten an die dritte Posaune, weil sämtliche Bässe eingefroren waren.

– Bei jedem Gemeindefest: Die Musik gehörte einfach dazu

Hatte einer der Vereine in der Gemeinde ein Fest, so erwartete man natürlich, dass der Musikverein ebenfalls am Anlass teilnahm. Sei es in der Festhütte, an Umzügen und Empfängen: Unsere Musik gehörte einfach dazu. So manch einer von uns Musikanten hätte gerne am 1. August etwas anderes unternommen. Aber nein, das gehörte bei uns zu den Pflicht-Anlässen. Manch einem mit einem Geschäft oder sonstigen beruflichen Verpflichtungen wurden die vielen Anlässe zur Belastung, aber uns Jungen konnte es nie genug sein.

– Reisen bildet – auch das Gemeinschaftsgefühl

Die Reisetätigkeit in unserem Verein nahm, nicht zuletzt als Folge der Zeit- und Kostenfrage, eher einen bescheidenen Platz ein. So wurden oft Eidgenössische-, Kantonale- oder Regionale Musikfeste zur Reise erklärt. Die Besuche bei unseren Freundschaftsvereinen Mont-sur-Rolle und bei der Stadtkapelle Grossbottwar (D) wurden immer zu einem eigentlichen Höhepunkt. Musik, gutes Essen, Wein und gemütliches Beisammensein waren da dominierend. Ja der gute «Trollinger» verleitete manchmal schon dazu, sich ein Gläschen über den Durst zu genehmigen. Wollte man vernünftigerweise mit einem Schluck Wasser zwischendurch ein wenig Zurückhaltung üben, so erhielt man schon bald einmal den freundschaftlich gemeinten Ratschlag: «Bruno, i sag der eins, wirsch krank, wenn so viel Wasser saufsch.»

– Chilbi Illnau: Vom Charme und Charakter der Chilbi-Gründerzeit

Wie so viele Illnauer Dorfvereine gehörte auch der Musikverein zu denen, die von Anfang an zum guten Gelingen der jährlichen Chilbi beitrugen. Zuerst war unsere Gaststube im Lagerkeller der Landi, später im Keller der früheren Schreinerei Meier und zuletzt im „Hotzehus“. Zum Speiseplan gehörten während den ersten Jahren Rippli mit Chrut und später im Hotzehus die berühmten Chässchnitte. Ein Konzert unsererseits gehörte natürlich immer zur Chilbi. Anfänglich war die Chilbi noch ein Anlass, der dazu führte, dass der Kontakt unter den Vereinen gefördert wurde. Auch gab es gute Gelegenheiten, mit vielen Leuten Kontakt zu knüpfen. Mit der Kommerzialisierung – wie ich das nennen möchte – ist leider vieles vom ursprünglichen Charme und Charakter der Illnauer Dorfchilbi verloren gegangen.

– Bergtouren: Unvergessliche Höhepunkte

Über 25 Jahre lang wurde jeweils eine Bergtour organisiert, an welcher alle, die jung und fit waren, teilnahmen. Die Bergtour war jedes Jahr ein beliebter Anlass. So manche Gegend wurde, mit manchmal fast überhängenden Passagen, erwandert und am Abend so manche Berghütte unsicher gemacht. Das waren immer gemütliche Stunden. Manche Jassrunde begann schon am Morgen im Zug und endete am anderen Morgen in der Hütte. Auch für Musik war gesorgt, denn eine Gruppe eingefleischter «Stegreifer» hatte immer ihre Instrumente mit dabei. Zur Abkühlung wurde schon einmal ein Bergsee oder Bach benutzt – ohne Badehose versteht sich. Das waren Erlebnisse, die bis heute unvergessen bleiben.

In der Georgis Hütte oberhalb Pontresina (Werner Kuhn als
Araber mit Tischtuch um den Kopf und Bruno Willi)
Gemütlicher Halt im Weisstannen-Tal (v.l. Werner
Kuhn, Bruno Willi, Emil Fürst, Walter Lüthi, Werner
Baumberger)

 

– Bauernkapelle: Tanz- und Unterhaltungsmusik mit Sprengkraft

Lange Jahre existierte neben dem Musikverein noch eine zweite, kleinere Formation, die Bauernkapelle. Zusammengesetzt war diese aus Mitgliedern des Musikvereins. Die Leitung hatte Walter Lüthi, welcher auch die Noten schrieb und arrangierte. Diese Formation spielte an diversen Anlässen und war früher als Tanz- und Unterhaltungs-Musik sehr gefragt.

Jedes Jahr wurden wir von den Sprengleuten im «Tätsch» aufgeboten zur Feier des Barbara-Tages, der Schutzheiligen der Sprengleute. Immer am 4. Dezember um 7 Uhr morgens wurden Böllerschüsse losgelassen – und anschliessend folgte unser Einsatz mit der Bauernkapelle, egal, ob es schneite oder 10 Grad Minustemperaturen herrschten. Früher spielten wir noch in einem weissen Überkleid mit Helm und einer Grubenlampe. Abschliessend folgte der gemütliche Teil mit einem Konzert und anschliessendem Essen mit Gerstensuppe, Fleisch, Käse und Brot und einem (!) guten Schluck Wein. Auch das gehört heute der Vergangenheit an.

Die Bauernkapelle (mit Lotti Kuhn, der Schwester von Werner Kuhn)

Unvergessliche Episoden

Flache Hörner

Wie schon erwähnt, kamen die meisten von uns früher noch per Velo oder Moped zur Probe. So fuhr eines Tages auch Dölf Häuselmann auf seinem Roller von Dietlikon zur Sonne Effretikon. Das Horn war hinten auf dem Gepäckträger. Irgendwie hatte er es nicht richtig befestigt, sodass es während der Fahrt hinunter fiel, genau vor einen Lastwagen. Schrumm, und das Horn war flach gepresst. So erschien er zur Probe, packte sein Horn aus dem Sack und erklärte uns mit bedrückter Stimme, was geschehen war. Werner Kuhn meinte dazu nur lakonisch: «Das isch nüd öises Horn, mir händ kei so flachi Hörner». Und natürlich hatte er die Lacher, einmal mehr, auf seiner Seite.

Nix Gage

Einst meldete sich ein Italiener bei uns im Verein. Er wolle mit uns musizieren, meinte er, und  erschien dann auch für drei Proben. Danach erkundigte er sich nach seiner Gage. Nachdem wir Ihm erklärt hatten, dass dies unser Hobby sei und niemand von uns Gage bekäme, sondern im Gegenteil noch ein Mitgliederbeitrag zu bezahlen sei, ward er nie mehr gesehen.

Nach der Musik ist noch lang nicht fertig

Gewöhnlich ging man nach der Probe noch für einen Schluck in ein Restaurant. Manchmal trafen wir uns da mit dem Männerchor, der ebenfalls am Dienstagabend Probe hatte. Gewöhnlich stand dann die Frage im Raum, wer beginne. Singt der Männerchor zuerst oder spielen wir zuerst. Mit «wir» ist unsere Stegreifgruppe gemeint, die wir hatten. Das wurden stets gemütliche Abende.  Der Wirt hatte oft Mühe, den letzten zur Polizeistunde rauszuwerfen. Wollte die Gruppe der Männerchörler für einmal kneifen, weil der Dirigent nicht mit von der Partie war, dann übernahm einfach einer von uns das Dirigieren. Diejenigen Lieder, die sie auswendig kannten, waren uns nämlich mittlerweile auch schon wohl bekannt. Wenn der Jucker Otto mit dabei war, so zahlte er für gewöhnlich eine Runde.

War nichts los, dann kam es schon einmal vor, dass wir «wilden Jungen» nach der Polizeistunde einer hübschen Maid ein Ständchen brachten – in der Hoffnung auf einen abschliessenden Kaffee.

Die Sauna-Gruppe

Einige von uns gingen regelmässig am Freitagabend in die Sauna nach Uster. Der Zufall wollte es, dass meist auch der Braumeister der Uster-Bräu da war. Regelmässig hatte er an einer Schnur ein paar Flaschen Bier im Kaltwasserbad hängen. Nach der Sauna wurden diese im Cheminée-Raum gemütlich genossen. Nachher ging es gewöhnlich ab in den Ausgang, um dann – ja nicht all zu früh – nach Hause zurück zu kehren.

Kuhns Geschoss mitten in die Fahne

Wie schon erwähnt, durfte/musste der Musikverein am 1.August immer mit einem Auftritt präsent sein. Und was stand nach der offiziellen Feier auf dem Programm? Die Antwort war klar: «Eis go zieh.» So waren wir nachher in der Sonne, unserem damaligen Probeort. in der Gartenwirtschaft. Die «Sonnen-Marie» hatte eine schöne neue Schweizerfahne gehisst  und wir sassen an einem Tisch darunter. Werner Kuhn hatte eine Rakete dabei und machte sich bereit, diese zu starten. Er stellte diese in ein Coca-Fläschchen und zündete sie. Irgendwie kam die Flasche ins Wanken. Ein Knall folgte, der Schuss ging genau Richtung Fahne – und diese hatte ein markantes Loch, präzis in der Mitte. Als die «Sonnen-Marie» das sah, kam sie arg in Rage ­– und wir hatten es einige Zeit lang nicht mehr so gut mit Ihr. Für Werner Kuhn war das Ganze natürlich ein gefundenes Fressen, wieder ein paar seiner unvergesslichen originellen Sprüche zu klopfen.

 

Bruno Willi